Blue & Yellow Press today
2020 - Odyssee ohne Ball
So einsam haben sich vermutlich tatsächlich nur die Astronauten gefühlt, die Kult-Regisseur Stanley Kubrick 1968 in seinem Si-Fi-Filmepos „A Space Odyssey“ auf ihrer Reise zum fernen Jupiter beschrieben hat.
Oder auch Hollywoodstar Tom Hanks in seiner unvergesslichen Rolle in „Cast Away“ als FedEx Angestellter Chuck Noland, der nach einem Flugzeugabsturz nahe einer kleinen, unbewohnten Insel im Pazifischen Ozean urplötzlich aus jeglicher Zivilisation gerissen wird und sich fortan in Ermangelung sonstiger sozialer Kontakte mit einem Volleyball des Herstellers „Wilson Sporting Goods“ anfreundet.
Nun, es ist hoffentlich noch nicht ganz so dramatisch, dass sich jemand aus der geneigten Handball-Community mit seinem Handball namens „MOLTEN“ unterhalten muss und diesem eventuell sogar ein freundliches Gesicht aufgemalt und obendrein noch mit etwas Kunsthaar zum Leben erweckt hat?
Doch für den Amateursport im Allgemeinen und für den Handball im Speziellen fühlt es sich derzeit tatsächlich ein wenig so an, wie einst für den Überlebenskünstler Noland im schier unendlichen Südpazifik. Doch „WILSON“ war Fiktion, „MOLTEN“ ist die grauenhafte Realität. Der tristeste November aller (Handball-)Zeiten mit null geworfenen Bällen ist gerade mal geschafft, da türmt sich schon ein noch längerer Dezember vor der tatenlosen Handballgemeinde auf - und - als wäre das nicht dann Verzicht genug, scheint eine Verlängerung der alltäglichen Sanktionen oder gar eine Verschärfung in den Januar, vielleicht sogar auf den Februar, unausweichlich zu sein. Kontaktsport? Derzeit - zumindest auf der Ebene des Breitensports - undenkbar!
Fakt ist: Der Handballsport wechselt das Jahr nicht nur bei der TSV Bonn in Schockstarre.
Doch die Frage nach den Perspektiven lässt keine Ruhe, auch wenn nahezu jeder eingeschränkte Lebensbereich derzeit brüskiert (aber meist unbewiesen) für sich reklamiert, definitiv nicht für die hohen Fallzahlen verantwortlich zu sein. Dennoch gilt: Diese Fallzahlen müssen erstmal in Solidarität runter. Der sanfte, aber dauerhafte Lockdown soll helfen, punktuellere Testungen, aber besonders die hoffentlich bald beginnenden Impfungen. Dazu könnte eventuell auch die Witterung ab Februar /März 21 mit einem hoffentlich wieder frühen, milden Frühling für Entspannung in Sachen Epidemie sorgen. Und dann?
Soweit der Seniorenhandball unbedingt eine gewertete Saison 20/21 erreichen möchte, müsste man spätestens (!) unmittelbar nach den Osterferien (ab 10.04.2021) den derzeit unterbrochenen Spielbetrieb wieder aufnehmen, um dann bis zum Beginn der Sommerferien (Anfang Juli) eine einfache Runde zu Ende spielen. Lässt es die Situation schon vor den Osterferien (29.03.2021) zu, in einem Ligabetrieb zu spielen, umso besser! Es würde den zeitlichen Rahmen sehr viel erträglicher gestalten. Nach den Sommerferien könnte es dann hoffentlich „normal“ mit der Saison 2021/2022 weitergehen. Ist aber auch der Re-Start spätestens ab 10.04.2021 nicht möglich, vergessen wir die Saison 20/21 einfach komplett, stellen alles auf null und starten zeitig nach den Sommerferien (oder vielleicht schon davor?) in gleicher Ligabesetzung.
Viel schlimmer trifft es aber aller Voraussicht nach den Kinder- und Jugendhandball. Die Saison 2020/2021 ist vermutlich komplett für die Tonne. Das wäre äußerst traurig, denn so eine Saison, mit einmaligen Konstellationen in der Team- und Ligazusammensetzung, verliert man altersbedingt leider unwiederbringlich. Das wäre nicht nur, aber gerade auch für die TSV/JSG 20/21 extrem bitter. Selbstverständlich sollte es darum für die Verbände auch im Jugendbereich höchstes Gebot sein - sobald es die Rahmenbedingungen wieder stabil zulassen - schnell in einen regelmäßigen Spielbetrieb zu kommen, um das Versäumte nachzuholen, was da heißt: spielen, spielen und nochmals spielen !!!
Wie wird der Handball bis dahin überstehen? Wird er ernsthaft Schaden nehmen? Ist das eventuell schon geschehen? Und wie sieht das in der TSV aus? Ein paar sportliche Lebenszeichen gibt es tatsächlich momentan noch im Rechtsrheinischen. Zwar ist ein regelmäßiger Austausch, wie beispielsweise beim ersten Lockdown im Frühjahr nicht gegeben, aber man freut sich ja schließlich auch über die kleinsten Nachrichten inside.
Unermüdlich und vorbildlich versammelt beispielsweise Coach Tobias Swawoll mit seinen Co-Trainern die Kinder der E1 und D1 vor den heimischen Bildschirmen. Zweimal in der Woche fordert die Crew beim Cyber-Training ihre Truppe zum intensiven Schnick-Schnack-Schnuck, Bingo, Memory oder Ähnlichem heraus - natürlich immer verbunden mit intensiver Bewegung. Besonders schön und wertvoll ist dabei, das auch ausgiebig gequatscht und gelacht wird. Auch Tanyas E2 und die weibliche E3 von Birthe haben schon zu einem lustigen Workout online getroffen.
Ansonsten setzen die Trainer eher auf die Erfüllung von Trainingsplänen und individueller Ertüchtigung. Insbesondere in den ambitionierten Teams wird das tatsächlich auch umgesetzt und man soll dabei sogar schon fleißige Jugendliche auf der traditionellen Brückenrunde erwischt haben.
Ähnlich halten es auch die Regionalligamänner, die sich zwar gelegentlich auf einen Drink vor den Bildschirmen treffen, ihren Körper und ihre Fitness aber ansonsten individuell stählen und pflegen. Man darf sich auf die Jungs verlassen: wenn die Signale zur Fortsetzung der Saison auf grün springen, wird das Team mit etwas Vorlaufzeit topfit auf der Platte stehen - garantiert! Außerdem wird punktuell auch derzeit der mentale Wettkampf auf höchstem Niveau erfolgreich trainiert. Tim Wilhelms beispielsweise liebt den Ritt auf der Rasierklinge geradezu und ist mittlerweile ein wahrer Virtuose an der Konsole. In der Zocker-Szene schwören sie auf seine Defensivkünste und ein PS-Insider bescheinigt WILLI in der FIFA-Weekend-League ein megabeachtliches Niveau auf dem Elite 1-Level.
Deutlich strukturierter sind mal wieder unsere Regionalligafrauen unterwegs - auch oder gerade in dieser schwierigen Phase für den Handball. Chefcoach Benni Maus hat gemeinsam mit Rückraumsternchen Jessy Lindenthal, die zivil als Personal-Trainerin arbeitet, einen minutiösen Trainingsplan ausgearbeitet, der punktuell auch in gemeinsamen Zoomkonferenzen umgesetzt wird. Apropos Zoom. Wer unsere Beueler Mädchen kennt, der weiß, das auch der Spaß unter keinen Umständen zu kurz kommt. Und wo es sonst mit fetzigen Beats und mächtigem Bass im knallig-lauten Partybus via Ringstraße auf die Kölner Ringe ging, versammelte man sich gestern Abend vorbildlich an den heimischen Bildschirmen zur teaminternen Weihnachtsfeier. Auch da ging es vermutlich mächtig zur Sache. Gut für diesen Fall das Zwangspause ist, denn eigentlich wäre ja heute zum Nikolaus die SG Überruhr in der Ringarena fällig gewesen.
Von den übrigen Teams der TSV hört man derzeit eher wenig. Dafür nutzte Handballboss, Markus Achenbach, der in Personalunion ja auch Männerwart der TSV ist, die sportliche Ruhezeit sinnvoll für einige Gesprächen Heraus kamen dabei u. a. die frühzeitigen Vertragsverlängerungen von Regionalligacoach Frank Berblinger und auch von Alex Schöneseiffen als Trainer der Verbandsligamänner für die Saison 2021/2022, unabhängig von der vakanten Spielzeit 20/21. Guter, wie cleverer Zeitpunkt und sinnvolle Entscheidung von allen Seiten. Stichwort Personalunion für Advokat Achenbach. Markus ist neuerdings nach Vorschlag aus der Nachbarschaft (Danke, Basti!), auch einer von drei Sprechern, der die Vereine der Regionalliga Nordrhein gegenüber dem Verband vertritt, wenn es beispielsweise um die sinnvolle Aus- oder Fortsetzung des Spielbetriebes geht. Wie zu hören war, ergibt sich aus der neuen Zusammenarbeit der Gremien ein überraschend offener und konstruktiver Dialog.
Sinnvolle Nachrichten erreichte die TSV zudem vom Sportamt Bonn bzw. vom Städtischen Gebäudemanagement. Noch im Dezember will man die derzeitige Pause für den Sport dazu nutzen, um kleinere, aber längst fällige Reparaturarbeiten am Hallenboden zu erledigen. Im Anschluss daran bekommt das Parkett nochmals eine intensive Grundreinigung mit einer abschließenden Versiegelung. Heraus sollte in jedem Fall eine 1A-Spielfläche kommen und damit auch verhindert werden, dass nach Wiederaufnahme der regelmäßigen Sportaktivitäten die Halle im Frühjahr/Sommer erneut wochenlang geschlossen werden muss.
Leider nicht viel Neues gibt es in Sachen einer neuen Dreifachhalle im Rechtsrheinischen u. a. für den Handballsport zu berichten, die möglicherweise in einem Sportpark Beuel, sprich im Franz-Elbern-Stadion gebaut werden könnte. Nicht nur der politische Machtwechsel in Bonn und Beuel bremst das Projekt momentan, was (erwartungsgemäß) unseren Geduldsfaden mächtig strapaziert. Derzeit wartet aber auch ein Euskirchener Planungsbüro auf die Auftragserteilung des Städtischen Gebäudemanagements als möglichen Bauherren der Halle, um eine von der Stadt Bonn beschlossene Machbarkeitsstudie als Entscheidungsgrundlage umzusetzen und zu erstellen. Liegen die Ergebnisse dieser Studie endlich vor, könnte (und wird!) auch die TSV mit Präsident Achim Büsch an der Spitze wieder in die Offensive gehen und beispielsweise auch den Kontakt zur neuen Bonner OB Katja Dörner oder/und zur Beueler Bezirksbürgermeisterin Lara Mohn suchen. Es bleibt spannend - aber eben leider auch extrem zähflüssig.
Abwarten und zähflüssig! Womit der perfekte Bogen zur aktuellen Handballpause wieder geschlagen wäre. 2020, eine Odyssee nicht nur für den Handballsport. Gemeinsam mit Euch durch eine schwere Zeit in ein hoffentlich sehr viel besseres 2021.
Bleibt stark, schön negativ und damit gesund !!!